Ümleitung

Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.

Na gut, das stimmt nicht ganz. Hier ist immer noch all das nachzulesen, was ich in den vergangenen Jahren so gebloggt habe. Und eine große Auswahl von Artikeln, die ich für Zeitungen geschrieben habe, alte und aktuelle.

Aber neue Blogeinträge werden vorläufig nicht hinzukommen. Der Grund dafür steht hier. Meine neue publizistische Heimat heißt Übermedien.de.

Hier geht’s lang!

Dieser Max braucht jemanden, dessen Hund er sein kann

Das ist Max.

Max ist ein Mischling auf Rauhaardackel-Basis, dem man seine 14 Jahre nicht anmerkt, insbesondere, wenn er Schubläden, Schränke und Rucksäcke auf Lebensmittelreste oder Spielzeuge kontrolliert, einem Quietschtier hinterherjagt oder durch den Schnee tollt.

Max ist ein richtig cooler Hund, dem ich es wünsche, dass er jemanden findet, der ihn aus dem Tierheim Falkensee zu sich nach Hause holt.

Insbesondere, weil ich ihn gerade erst dorthin zurückgebracht habe, nach einer knappen Probewoche bei mir. Aber es lag nicht an ihm, es lag an mir.

Das klingt nach einem abgeschmackten Satz, der auch sonst, bei Trennungen zwischen Mensch und Mensch, vermutlich nur selten die beabsichtigte beschwichtigende Wirkung entfaltet. Aber es stimmt. Max ist ein cooler kleiner Hund, neugierig, anhänglich, zögernd kuschelig und unfassbar niedlich. Ich habe in der gemeinsamen Woche nur gemerkt: Er ist nicht mein Hund.

Ich kann das nicht gut erklären – zum einen, weil es zu privat und persönlich würde, zum anderen aber auch, weil ich es selbst nur zum Teil verstehe. Objektiv hätte wenig dagegen gesprochen, ihn dauerhaft bei mir aufzunehmen. Max ist kein ganz unproblematischer Hund, aber er ist alles andere als ein Problemhund. Ich hätte an ihm arbeiten müssen, vor allem daran, dass er andere Leute, die es wagen, in die Wohnung oder ins Büro zu kommen, empört anbellt. Von „Ressourcenverteidigung“ spricht man, wenn Hunde ihr Futter, ihr Spielzeug oder auch ihren Menschen nicht teilen wollen und in solchen Situationen mit lautem Protest oder Schnappen reagieren. Es kann sein, dass das bei Max im Tierheim schlimmer geworden ist, vielleicht war er auch vorher schon so, in jedem Fall müsste man ihm das abgewöhnen.

Aber das war nicht der Grund, weshalb ich mich gegen ihn entschieden habe, es gab keinen konkreten Grund, es gab nur die ganze Zeit ein Gefühl der Skepsis, einen Zweifel, der leider auch nicht wegging, als sich Max sehr freundlich und gar nicht aufdringlich auf dem Sofa an mich schmiegte. Und dieses Gefühl, dieser Zweifel, hat vermutlich viel mit meinem Hund Bambam zu tun, der im März gestorben ist.

Ich glaube, es war die Ähnlichkeit mit Bambam, die mich überhaupt erst auf Max aufmerksam gemacht hat. Im Tierheim hängt ein Foto von Max, das fast ein Foto von Bambam sein könnte: das graumelierte Gesicht, die großen Augenbrauen, die dunklen Augen, sogar einen Hauch von Bart hat er. Er ist allerdings viel kleiner und auf krummen Beinchen unterwegs. Und ein ganz anderer Typ Hund.

Max hat das Bambam-förmige Loch in meinem Leben nicht nur nicht gefüllt. Er hat mir dieses Loch überhaupt erst richtig bewusst gemacht. Wenn er zum Beispiel klein und gemütlich und aufmerksam hinter mir an der Leine hertrottete, erinnerte er mich daran, dass da mal ein anderer grauer Flauschzottel war, der groß und unabhängig und unangeleint vorauslief.

Nichts an dem, wie Max neben mir an der Leine lief, war falsch. Aber für mich fühlte es sich falsch an.

Ich bin trotzdem gar nicht überzeugt, dass es die richtige Entscheidung war, ihn nicht zu behalten. Ich habe sehr mit mir gerungen und werde ihn nachher vermissen, wenn er nicht, zusammengerollt wie der Firefox-Fuchs, neben mir auf dem Sofa liegt, nachdem er sich sehr umständlich die Decke so zurechtgeschoben hat, dass er seine Schnauze entweder darauflegen oder reinstecken kann. Vielleicht werde ich sogar vermissen, wie er wie mit den Geräuschen eines sehr, sehr kleinen Darth Vader unter geschlossenen Türen durchatmet, um noch den letzten erreichbaren Geruchspartikel aufzusaugen, der ihm verrät, was dort passiert (oder wenigstens hörbar zu machen, dass geschlossene Türen prinzipiell echt nicht okay sind).

Ich wünsche diesem freundlichen kleinen Fell-Opi, dass er nochmal jemanden findet, dessen Hund er sein kann. Er sieht und hört anscheinend nicht mehr sehr gut, und er hat, was viele Hunde in dem Alter haben, eine Herzklappenverdickung. (Er kriegt Medikamente dagegen und ist laut Tierheim gut eingestellt.) Aber er wirkt gar nicht, als hätte er mit dem Leben schon halb abgeschlossen; er wirkt, ehrlich gesagt, überhaupt nicht wie ein 14-jähriger Hund. Er hüpft die Treppen rauf und runter, kommt allein aufs Sofa, und schafft es sogar, aufrecht auf seinen Hinterpfoten zu stehen, die Vorderpfoten in der Luft, wenn das hilft, herauszufinden, ob jemand da hinten auf dem Schrank versehentlich ein Leckerli liegen gelassen hat.

Er ist absolut innenstadttauglich und entspannt beim Spazierengehen, der Verkehr ist ihm egal, andere Menschen und Hunde, die vorbeikommen, bringen ihn auch nicht in Rage. Nur in den Situationen, in denen er glaubt, seinen Halter oder sein Futter beschützen oder für sich reklamieren zu müssen, macht er Probleme. Daran müsste man arbeiten, aber daran könnte man arbeiten.

Der Max ist ein cooler, sehr niedlicher Hund. Er könnte noch ein paar gute Jahre haben, und jemand mit ihm. Auch wenn ich das nicht bin, würde mich freuen, wenn ich dabei helfen könnte. Max hätte es verdient.

Bambam


Bei der Arbeit für „Tagesschaum“, 2013. Foto: WDR

Mein Hund ist eher der distanzierte Typ. Nicht wie diese Golden Retriever, die Aufmerksamkeit und Liebe wie Schwämme aufsaugen und abgeben, im Gegenteil.

Der erste Abend bei mir in der Wohnung, im Sommer 2010, war geprägt von größerer beidseitiger Ratlosigkeit. Ich hatte vorher noch nie einen Hund gehabt und fand das Gefühl sehr merkwürdig, plötzlich mit so einem fremden Lebewesen zusammenzuleben. Ich glaube, ihm ging es ganz ähnlich.

Er hatte in seiner Heimat in Ungarn bei einer Familie im Hof gelebt, durfte wohl nur gelegentlich ins Haus. Die Frau von dem Verein, der den Hund vermittelt hat, warnte mich, dass solche Hunde sich auf den krassen Statuswechsel gerne was einbilden, den es bedeutet, mit einem Mal drinnen wohnen zu dürfen. Bei Bambam hatte ich eher das Gefühl, dass er lieber im Hof geschlafen hätte. An einer praktischen Schlaf- und Liegekuhle unter einem Busch hat er über die Jahre regelmäßig gearbeitet.

Es fühlte sich am Anfang eher wie ein etwas unpersönliches Untermietverhältnis an, später wie eine lose WG. Ein anderer Hundebesitzer erzählte mir, es hätte ungefähr ein Jahr gedauert, bis sein Hund bei ihm zuhause wirklich angekommen sei, das sei bei Huskys völlig normal. Die seien auch so gezüchtet worden, nicht zu anhänglich zu sein, damit man im Zweifel bei schlechten Zeiten in der Wildnis keine Hemmungen hätte, sie zu essen. Ich fand das nicht ganz unplausibel, aber dann habe ich im Urlaub in Nordnorwegen sehr viele Huskys getroffen und die waren so unfassbar überschwänglich, liebeshungrig und verschmust, dass ich beschloss, dass es doch eher einfach mein Hund ist, der distanziert ist, und nicht seine Sorte Hund. (Außer Husky steckt noch Schnauzer in ihm.)

Es war erstaunlich schwer, ihm beizubringen, neben mir an der Leine zu gehen, ohne zu ziehen. Irgendwann, nach vielen Stunden, hat die Hundetrainerin gesagt, wir probieren das jetzt mal ohne Leine. Für mich klang das völlig absurd, aber komischerweise ging das fast auf Anhieb. Ohne Leine, auf Kommando, bei Fuß, gar kein Problem.

Keine Leine = nichts woran man ziehen könnte oder müsste.

Was auch erstaunlich leicht war: ihm beizubringen, an Straßenkreuzungen zu halten. Sobald das zuverlässig klappte, bestanden unsere Gassi-Runden daraus, dass der Hund vorauslief und sein Ding machte und am nächsten Bordstein auf mich wartete, um dann wieder vorzulaufen. „Zusammen spazieren gehen“ ist mit meinem Hund ein Euphemismus.

Draußen in der Natur ist das so ähnlich. Es ist nicht so, dass er weglaufen will oder bestimmen möchte, wo es langgeht. Meistens wartet er, sehr vernünftig, an Weggabelungen auf mich und weitere Ansagen. Aber wenn er sich sonst auf der Strecke mal umdreht, um zu sehen, wo ich bleibe, wartet er nicht ab, bis ich zu ihm aufgeschlossen habe; es reicht ihm zu sehen, dass ich irgendwo am Horizont bin, um sich wieder umzudrehen und weiterzutrotten.

Es ist ihm schon wichtig, dass ich nicht weg bin. Aber da sein muss ich auch nicht.

Er konnte erstaunlicherweise auf Anhieb relativ gut an der Leine am Fahrrad laufen, aber was auch hier viel besser ging: Während ich auf der Straße fuhr, parallel dazu auf dem Bürgersteig zu laufen. Er machte daraus manchmal ein angedeutetes kleines Wettrennen, jeweils mit dem Etappenstopp: an der nächsten Kreuzung. Beim Fahrradfahren in der Natur hatte er oft den größten Spaß, wenn er nicht direkt neben mir lief, sondern parallel ein paar Meter entfernt durch den Wald oder das Gebüsch.

Im Sommer im Café kann es passieren, dass er sich nicht unter dem Tisch einrollt, sondern mit ein paar Meter Abstand auf den Bürgersteig legt.


Foto: Gabriel Yoran

Abgesehen von ein paar Grundlagen habe ich nicht versucht, dem Hund viele Kommandos oder Kunststücke beizubringen. Ich weiß nicht, ob er dazu Lust gehabt hätte, ich hatte nicht das Gefühl.

Aber das eine Kommando, das wir wirklich viel geübt haben, lautet: „Schau!“ Es soll den Hund dazu bringen, einen anzugucken, Blickkontakt herzustellen. Bei Schäferhunden ist das nichts, was man überhaupt groß üben müsste, die sind von sich aus ganz scharf darauf, einen zu beobachten und eine Reaktion oder einen neuen Auftrag zu bekommen.

Mein Hund will das eher nicht so. Das Kommando „Schau!“ trainiert man zum Beispiel so, dass man dem Hund ein Stück Wurst hinhält, er es aber erst bekommt, wenn er nicht mehr das Futter anguckt, sondern den Menschen, der es hält. Das hat bei meinem Hund insofern geklappt, dass er es in genau dieser Situation tut, wenn er muss, aber auch keine Zehntelsekunde länger als nötig. Außer wenn er versucht, mich durch Anstarren zum Rausgehen zu bewegen, hat mein Hund kein Interesse, mit mir groß Blicke auszutauschen.

Wir haben in einem ähnlichen Sinne zusammen gelebt wie wir zusammen spazieren gegangen sind.

Falls sich das alles abschreckend liest, nach einer wirklich unbefriedigenden Mensch-Hunde-Beziehung, muss ich das korrigieren: Dieser Hund, der genau so ist, ist schon genau mein Hund. Ich weiß nicht, ob ich damit umgehen könnte, wenn mein Hund dauernd meine Aufmerksamkeit oder Nähe suchte.

Bambam ist nicht sehr anschmiegsam. Aber das bin ich auch nicht.

Ich hätte mir, zugegeben, manchmal gewünscht, dass es häufiger eine Mittelposition gibt, beim Spazierengehen zum Beispiel irgendwas zwischen den Extremen „Bei Fuß“ und „Lauf ruhig 100 Meter vor bis zur nächsten Kreuzung“, so ein: Ich schnupper hier frei rum, aber bleibe ganz in der Nähe. Und, ja, es ist auch schwer, es nicht gelegentlich persönlich zu nehmen, wenn der Hund deutlich macht, dass er gerne auf Abstand bleibt. Aber ich liebe es eigentlich, wie unabhängig, wie selbständig er ist. Meine Gene.

Die ewige Frage: Wie kommt es, dass Hundebesitzer und ihre Tiere einander oft so ähnlich sind oder werden? Mein Hund und ich sind beide grau mit Bart, manchmal haben Fremde auf der Straße deshalb gegrinst, wenn sie uns zusammen gesehen haben (oder genauer: mich eine halbe Minute nach meinem Hund). Aber viel faszinierender sind die inneren Parallelen.

Als ich mir den Hund ausgesucht habe, wusste ich nicht, dass der so ist. Es kann schon sein, dass er auch durch mich so wurde, weil mir das ganze Helikopterherrchenhafte fehlt. Ich zögere zu schreiben, dass ich ihn zu seiner Unabhängigkeit erzogen habe, denn wenn überhaupt, war es eher ein Lassen denn ein aktives Tun. Vermutlich hätte jemand anderes ihm andere Dinge beigebracht, hätte ihn vielleicht dazu gemacht, menschenfixierter zu sein oder anhänglicher, aber eigentlich denke ich, dass diese Unabhängigkeit schon Teil seines Wesens ist.

Keine Ahnung, ob ich das damals schon wahrgenommen habe, als ich ihn zum ersten Mal getroffen habe und sofort wusste: Wenn ich einen Hund will, dann diesen, und wenn es diesen Hund gibt, warum dann nicht einen Hund haben? Aber das wäre eine sehr unbewusste Wahrnehmung gewesen.

Es ist ja auch egal: Was für ein Glück, dass ich (über den viel zu früh verstorbenen Stefan Vogel) diesen Hund getroffen habe. Und dass er ein Teil meines Lebens geworden ist.

Diese ganzen Geschichten, von denen man hört und liest, von Hunden, die genau spüren, wenn einem was fehlt, und die dann ankommen und einen trösten, oder diese Sprüche, dass Hunde die besseren Freunde oder Partner sind, weil sie bedingungslos und vorurteilsfrei lieben – mit all dem kann ich nicht dienen. So ist er nicht.

Das bedeutet nicht, dass wir keine Bindung haben. Sarah Kuttner hat das schöne Wort von der langen „emotionalen Schleppleine“ erfunden, an der er hängt (oder ich). Ich weiß, dass ich nicht bloß jemand für ihn bin, der ihm die Futterdosen aufmacht.

Merkwürdig ist trotzdem, dass er zum Beispiel irgendwann fast nur noch mit mir Gassi gehen wollte. Mit jemand anderes aus dem Büro mal schnell um den Block – das ging nicht mehr; meistens zog er nach kürzester Zeit energisch zurück zum Ausgangspunkt. Die ausgedehnten Waldspaziergänge mit meinem Vater morgens, während ich noch im Bett lag, klappten leider auch nicht mehr, weil er vielleicht gerade noch sein Geschäft erledigte und dann zurück zu mir wollte. (Dabei hätten mein Vater und er ausgedehnteste Wanderungen miteinander machen können, was wirklich eher ein gemeinsames Hobby der beiden ist als meins.)

Es ist rätselhaft, warum er darauf besteht, mit mir zu gehen, um dann aber nicht wirklich mit mir zu gehen. Vielleicht kann irgendein Tierpsychologe das erklären. Oder, noch besser: Vielleicht ist das eine tolle komplexe Metapher für unsere ganze Beziehung, über unsere besondere Mischung aus Nähe und Distanz, Vertrautheit auf Abstand.

Emotionen zu zeigen, positive noch dazu, ist nicht sein Ding. Freudiges Schwanzwedeln ist fast ausschließlich für andere Hunde reserviert. Einmal in einem Restaurant hat ihn ein Mädchen bestimmt zehn Minuten lang gestreichelt, ohne dass er ein einziges Mal ein offensichtliches Zeichen machte, dass ihm das gefiel. (Ich glaube, es gefiel ihm.)

Abends zieht er sich gern irgendwann einfach ins Schlafzimmer zurück. Das verblüfft immer wieder Leute, wenn sie das sehen oder plötzlich merken, dass er nicht mehr da ist.

Er hat keinen größeren Drang, auch mal zu mir ins Bett zu kommen. Nur die Bequemlichkeit des Sofas, die nimmt er gerne mal in Anspruch.

Wenn er nachts aus irgendeinem Grund raus muss (das sind selten gute Gründe), dann versucht er meine Aufmerksamkeit zu erregen, in dem er ganz, ganz leise Fiepgeräusche macht. Oder, neuerdings, vorsichtige Fußtrippelgeräusche. Im Grunde versucht er, mich zu wecken, ohne mich zu wecken.

Er gibt sich auch große Mühe, wenn er sich mal übergeben muss, dass alles auf den Teppich geht und nichts auf den blanken Fußboden daneben, den man einfach abwischen könnte.

Ungefähr ein Jahr, nachdem er bei mir eingezogen war, fuhr ich für zwei, drei Wochen in den Urlaub und gab ihn in eine Hundepension auf dem Land, wo viele Hunde in zwei getrennten Bereichen tagsüber miteinander herumtobten. Das war das beste, was ihm passieren konnte. In dieser kurzen Zeit lernte er von den anderen Hunden die ganzen wichtigen Hunde-Skills. Vorher war er ein ungestümer Halbstarker gewesen, rüpelig, gelegentlich ein Mobber. Hinterher wusste er, wie man mit anderen Hunden kommuniziert, wie man Streit aus dem Weg geht, wie man Situationen deeskaliert.

Noch heute bin ich jedesmal stolz, wenn ich sehe, wie er sich einem fremden Hund vorstellt: Er bleibt mit ein bisschen Abstand stehen, wedelt sehr freundlich mit dem Schwanz und wartet, bis der andere die restliche Distanz überwindet. Vorbildlich, wie aus dem Hunde-Knigge. Oder wie er es regelmäßig schafft, doofe Situationen zu meiden: Wie er einen ängstlichen Hund oder einen Hund mit ängstlichem Besitzer komplett ignoriert. Oder um einen bedrohlichen Hund oder zwei Hunde, die irgendwie miteinander Stress haben, einfach einen Bogen macht. Zugegeben, das klappt nicht immer, es gibt Situationen, da ist auch mein Hund doof oder findet andere Hunde doof und zeigt ihnen das, aber das ist die Ausnahme.

Nur deshalb funktioniert es, dass er so oft ohne Leine unterwegs ist, und ich weiß schon, wie viele Leute trotzdem darüber empört sind, weil es nicht erlaubt ist und, wichtiger: nicht ungefährlich. Ich würde trotzdem sagen, dass mein Hund ohne Leine weniger Probleme macht als 99 Prozent aller Hunde an der Leine.

Meine Idealvorstellung von einem Leben als Hund ist die von Ice aus der Netflix-Doku-Reihe „Dogs“: Der hat einerseits den Job, einen Fischer bei der Arbeit zu begleiten, vor allem aber dreht er jeden Tag allein seine Runde durch den Ort San Giovanni am Comer See, pirscht durch die Straßen, begrüßt die anderen Einwohner, sieht nach dem Rechten. Schon klar, dass es selbst in einem abgelegenen Touristenörtchen ein kleines Wunder ist, dass das so funktioniert, und in einer Stadt wie Berlin undenkbar. Aber die Runde bei mir beim Büro um den Block, um sich jeden Tag zwei kleine Wurststicks am Quarkkeulchenstand abzuholen, die hätte er gut auch alleine drehen können, und, naja, je nachdem, wie eilig er am jeweiligen Tag gerade hatte, dort anzukommen, drehte er den letzten Teil der Runde tatsächlich alleine.

Unter den problematischen leinenlosen Situationen litt eigentlich fast immer nur ich. Wenn ich irgendwo am Waldrand stand und wartete, bis er endlich wieder da war. Oder auch in der Mitte des Waldes, bis er gemerkt hatte, dass ich gar nicht mehr die üblichen 100 Meter hinter ihm war, und er umdrehte und mit dem langsamstmöglichen Tempo zurückkam.

Der große Unterschied zwischen ihm und mir: Für ihn ist eigentlich nur die Welt draußen interessant, da wird alles beschnuppert, beobachtet, markiert, begrüßt, ausgebuddelt. Ich bin immer schon ein Drinnen-Typ gewesen. Das war auch der pädagogische Gedanke, oder jedenfalls die Rationalisierung des auf mich zutiefst irrational wirkenden Beschlusses, sich einen Hund zuzulegen: Dass es mir gut täte, mal häufiger an die sogenannte Frische Luft zu kommen.

So habe ich in den letzten 13 Jahren unendlich viele Parks, Heiden, Wälder und vor allem Seen in und um Berlin kennengelernt, die ich sonst vermutlich nie gesehen hätte. Mit dem Hund an meiner Seite (im weiteren Sinne) hatte es plötzlich einen besonderen Sinn, all diese Wege zu erkunden, Hügel zu erklimmen, Seen zu umrunden.

Einmal, da hatte ich ihn noch nicht lang, waren wir abends in der Dämmerung am Strand auf Usedom. Eine Freundin und ich saßen auf einer großen Treppe, der Hund stromerte irgendwo rum, ich hatte ihn aus den Augen verloren und war ein bisschen besorgt. Dann kam er zu meiner großen Erleichterung zu uns gelaufen und ich dachte begeistert: Na also, der Gute, er kommt schnell wieder zurück!

Dann drehte er um und begann erst richtig, allein die Gegend zu erkunden. Er hatte sich offenbar nur kurz versichert, dass wir noch da sind. Nach dem Motto: Ah, ihr bleibt hier, okay, dann hau ich nochmal ab.

Aber all das sind Geschichten aus seiner Sturm- und Drangzeit, inzwischen ist er für solche Eskapaden viel zu vernünftig (oder zu faul).

Vor ein paar Wochen ist 14 Jahre alt geworden. Er hat all das, was Hunde in dem Alter so an Leiden haben, er sieht nicht mehr ganz so gut, er hört gar nicht mehr gut (wobei ich den Verdacht habe, dass er das manchmal strategisch nutzt), er hat vermutlich Arthrose, sein Bart ist dünn geworden. Vor allem aber macht sein Herz schlapp.

Im Sommer 2021 wurde eine Herzklappenverdickung bei ihm festgestellt, was wohl eine häufige Erkrankung bei diesen Hunden ist.

Inzwischen ist daraus eine „hochgradige Mitralklappeninsuffizienz“ geworden; „es gibt Hinweise auf eine bevorstehende Dekompensation“, steht im Befund vom Januar 2023. Seitdem bekommt er vier verschiedene Medikamente; vor kurzem ist noch eins gegen eine Schilddrüsenunterfunktion dazugekommen.

Trotzdem ist er am vorletzten Wochenende noch fidel und, soweit ich es sagen kann, unbeschwert durchs geliebte Erpetal gelaufen. Dann hat sich sein Zustand plötzlich rapide verschlechtert, er ist extrem schwach, will nicht mehr laufen, muss zum Fressen überredet werden. Die Blutuntersuchung ergab: Die Zahl der roten Blutkörperchen ist viel zu niedrig, die Ursache ist unklar, viele Erklärungen kommen in Frage, fast alle sehr unschön. Selbst wenn man wüsste, woran es genau liegt, könnte man wenig tun: Eine Narkose kommt bei seinem Herzen nicht in Frage (abgesehen davon, dass grundsätzlich nicht viel dafür spricht, einen 14-jährigen Hund überhaupt operieren zu lassen).

Er bekommt jetzt ein Antibiotikum und Kortison, der Tierarzt sagte, es sei nicht auszuschließen, dass das hilft – das klingt nicht einmal so, als wäre es das wahrscheinlichste Szenario. Der Tierarzt betonte außerdem mehrmals, dass 14 Jahre wirklich sehr, sehr alt sei für so einen Hund, und er ließ keinen Zweifel, dass es Zeit sein könnte, langsam Abschied zu nehmen, mit etwas Pech sogar schnell.

Und jetzt sitze ich hier und schreibe das alles auf und ertappe mich dabei, dass ich größere Teile dieses Textes zuerst schon in der Vergangenheitsform formuliert hatte. Er scheint im Moment keine Schmerzen zu haben, aber es bricht mir das Herz, wenn ich sehe, dass es ihn die letzten Kräfte kostet, im kleinen Park direkt um die Ecke noch schwanzwedelnd und schnuppernd andere Hunde zu begrüßen.

Es ist eine sehr schlechte Kombination: Sein Herz schafft es ohnehin kaum, frisches Blut durch den ganzen Körper zu pumpen, und nun enthält dieses Blut auch noch viel weniger Sauerstoff als normal.

Das Leben im dritten Stock ist jetzt ein Fluch. Auf dem Rückweg von jeder kleinen Runde verlangsamt er schon ein gutes Stück vor der Haustür und muss überredet werden weiterzugehen. Ich bilde mir ein, dass er das macht, weil es ihn vor dem Treppensteigen graut. (Das Leben unten im Hof, neben dem Hintereingang der Pizzeria, wo es oft so gut riecht, und neben den Mülltonnen, wo es womöglich für ihn auch oft gut riecht – es muss ihm jetzt noch attraktiver erscheinen als sonst schon.)

Neulich hat er nach exakt zweieinhalb von drei Stockwerken beschlossen, dass das wirklich nicht zu erklimmen ist. Er hat daraufhin, wie in einer billigen Komödie, einfach kehrt gemacht und ist alles wieder runter gelaufen bis ins Erdgeschoss. Ich habe ihn dann hochgetragen, das mache ich inzwischen immer, er mag das eigentlich nicht, aber oben angekommen ist der Unterschied in seiner Verfassung eindeutig. Immerhin werd ich so fitter. Er wiegt knapp 25 Kilo.


Cartoon: Johannes „Beetlebum“ Kretzschmar

Seit Jahren haben Leute mich, wenn sie ihn gesehen haben, gefragt, ob der Hund schon alt ist. Ich hab dann wahrheitsgemäß immer, leicht genervt, geantwortet: Nein, der ist einfach grau. Es ist noch gar nicht so lange her, dass ich diese Antwort ändern musste. Und jetzt merke ich, was das wirklich bedeutet.

Auch der Satz der Tierärztin vor gut eineinhalb Jahren, dass dieses eine Herz-Medikament die Lebenszeit durchaus um ein Jahr verlängern könne, klingt plötzlich ganz anders: Damals war das so eine abstrakte und sehr hypothetisch klingende Rechnung. Jetzt erst wird mir klar, wie sehr dabei schon mitschwang, dass womöglich die letzten Monate angebrochen waren.

Und ich frage mich, was der Hund mir bedeutet, was er mit meinem Leben angestellt hat, welche Lücke er reißt, wenn er nicht mehr da ist. In diesen Tagen wünschte ich mir, er wäre ein bisschen anschmiegsamer, weil ich das Bedürfnis habe, ihn in irgendeiner Form in den Arm zu nehmen. Aber er ist so zurückhaltend wie immer und schiebt seinen Kopf nur manchmal so unter meine Hand, dass ich seine Stirn richtig gut kraulen kann oder diese eine gute Stelle hinter dem Ohr.

Bei einem Hund, der so sparsam ist damit ist, seine Zuneigung zu zeigen, ist jedes kleine Zeichen ganz besonders toll.

Sein Hundefutter will er nicht mehr, erstaunlicherweise egal in welcher Geschmacksrichtung, aber Würstchen liebt er immer noch. Am vergangenen Samstag habe ich beschlossen, nicht mehr zu versuchen, ihm irgendwie doch noch das Dosenfutter schmackhaft zu machen. Fuck it, habe ich mir gedacht, als ich zufällig vor einer Riesenfamilienpackung Würstchen im Supermarkt stand. Es gibt wirklich keinen Grund mehr dafür, darauf zu achten, dass er sich gesund ernährt: Wenn ihn Würstchen noch glücklich machen, kriegt er halt Würstchen ohne Ende.

Er ist unglaublich behutsam, wenn er einem Futter aus der Hand nimmt.

Er hat keine Lust, Stöckchen zurückzuholen, es sei denn, man wirft sie ins Wasser.

Sein allergrößtes Hobby ist das Buddeln. Er liebt den Schnee und hasst den Sommer. Er liebt es zu schwimmen und hasst es gebadet zu werden. Er liebt es, mit Vollgas über den Sandstrand zu jagen, und hasst diese offenen Metallgitter, über die man bei Brücken oder Treppen laufen muss. Er liebt das Erpetal, den Plänterwald, die Königsheide, Käse, Leberwurst, harte, kalte Fußböden, den großen Sitzsack, den meine Mutter ihm genäht hat, Ute und Martina.

Bei seinen Abneigungen scheut er kein Klischee: Er lehnt Eichhörnchen ab, Katzen und Postboten. Oder genauer: Postbotenfahrräder. Ich wüsste wirklich gerne, was er in seiner Kindheit mal Schlimmes mit einem Postbotenfahrrad erlebt hat, das dazu führt, dass er auch nach fast 13 Jahren in Deutschland und garantiert ohne ein einziges problematisches Postbotenfahrraderlebnis an diesen Dingern nicht entspannt vorbeigehen kann, sondern sie im Vorbeilaufen wütend ankläffen will. (Ja, das ist nicht gut.)

Ach, und Schweineohren. Er hat panische Angst vor Schweineohren. Und vor Schweinen, wie wir mal in der Nähe eines Bauernhofes in meiner Heimat herausfinden mussten, aber in Berlin begegnet man denen ja nicht so oft.

Er hat jeden Tag Menschen, an denen er vorbeischlurfte, zum Lächeln gebracht. Und die Verzücktheit, die er bei manchen auslöst, ist mit zunehmendem Alter eher noch gewachsen. Und fast jeder sagt etwas originelles wie: „Oh, ein Wolf!“

Er ist unabhängig und souverän, entspannt und skeptisch, eigensinnig und cool. Er ist ein richtig guter Hund, ich bin glücklich und ein bisschen stolz, dass ich ihn meinen Hund nennen durfte, und ich vermisse ihn jetzt schon.

Die Müdigkeit des Christian Lindner

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Ich habe den Werbespot der FDP zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gesehen und will jetzt sofort Daniel Rosenthal wählen.

Der Berliner Fotograf hat Parteichef Christian Lindner beim Reden, Konferieren, Herumstehen, Rasieren, Im-Auto-Sitzen und Sich-die Augen-Reiben abgelichtet. Es sind fantastische Bilder geworden, die die FDP zu einem Film montiert hat. Sie zeigen Lindner in scheinbar privaten Momenten, und vermutlich muss man sie sich im Kino ansehen und nicht auf Youtube, um die maximale Wirkung dieser für die Öffentlichkeit inszenierten Privatheit zu erleben.

Es ist ein faszinierender Kontrast aus der scheinbar ungeschönten dokumentarischen Wirklichkeit in Schwarz-Weiß, die Lindner authentisch, verletzlich und real wirken lässt, und der großen Eitelkeit, die diese Inszenierung ausstrahlt. Der FDP-Chef im weißen T-Shirt nachdenklich auf einem Sofa, mutmaßlich im Hotel, das Mobiltelefon in beiden Händen – er könnte so auch für Calvin Klein werben.

Auf den meisten Fotos sieht er sehr müde aus. Vielleicht ist das die neue Art zu zeigen, dass sich ein Politiker aufreibt für die Menschen: Ihn nicht vor Kraft und Energie strotzend, dynamisch, stark darstellen. Sondern erschöpft, abgekämpft. Natürlich rennt Lindner am Ende trotzdem dynamisch ein paar Treppenstufen hinaus und spricht eindringlich zu Menschen, die ihm gebannt zuhören. Die Schlüsselszene, betont von der Musik und einer Schwarzblende, scheint der Moment zu sein, in dem Lindner sich im Spiegel einer öffentlichen Toilette selbst in die Augen guckt. Wenn die Müdigkeit und die Zweifel Christian Linder zu übermannen drohen, dann schaut Christian Lindner sich in die Augen und findet dort neue Kraft und Mut.

Es ist also ironischerweise nicht der Blick auf das Land und was dort alles zu tun ist oder die Begegnung mit Menschen, was Christian Lindner in dieser Dramaturgie letztlich motiviert. Viel zu wenige von uns erblicken beim Blick in den Spiegel einen Christian Lindner, der unsere innere Müdigkeit vertreibt.

Es ist ein faszinierender Werbespot, gewagt, anders, auffällig. Aber so überzeugend die Inszenierung Lindners als bis zur Erschöpfung arbeitender Widerstandskämpfer formal ist, so lächerlich wird sie, wenn man auf den Text hört. „Haben Sie mal was gemacht, von dem Sie überzeugt waren, dass es richtig ist?“, fragt Lindner aus dem Off – das ist auch der Titel des Videos. „Klar, dauernd, Sie etwa nicht?“, möchte man zurückrufen, aber natürlich meint Lindner etwas anderes, nämlich: Haben Sie mal was gemacht, von dem alle anderen überzeugt waren, dass es falsch ist?

Das attraktive Rebellen-Image Lindners entsteht aus dem behaupteten Widerstand, den der FDP-Mann für seine Positionen und Themen erfährt – angeblich muss er sich Kommentare anhören wie: „Warum sprecht ihr über Schulen? Rechtsstaat …“ (im Bild: der Kölner Hauptbahnhof) „… falsches Thema! Stau – Quatsch. Bürokratismus – interessiert keinen.“ Lustige Idee: Dass ein Politiker für verrückt erklärt wird, wenn er den Zustand der Schulen, die Silvesternacht in Köln oder den Stau zum Thema macht. Der Stau, das große verkannte Nischenthema unserer Zeit, über das sonst keiner zu sprechen wagt.

Außer Christian Lindner. Der deshalb müde ist. Sehr attraktiv müde.

Charité

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Es liegt also an mir.

Die deutschen Fernsehzuschauer lieben „Charité“, die große historische ARD-Krankenhausserie von Sönke Wortmann. Über acht Millionen haben die erste beiden Folgen eingeschaltet, über sieben Millionen die dritte, und es wäre ebenso kindisch wie aussichtslos, ihnen das ausreden zu wollen; sie zu schütteln, ihnen Programme zu zeigen wie „The Knick“, die historische Krankenhausserie von Steven Soderbergh, damit sie sehen, wie man solche Geschichten auch erzählen könnte, sie nochmal zu schütteln und ihnen dann lange Vorträge darüber zu halten, was an der Erzählweise und Inszenierung von „Charité“ so ermüdend ist und so wenig packend, wenn sie offenbar gepackt sind und nicht ermüdet – oder ihnen vielleicht sogar, im Gegenteil, diese gewisse Müdigkeit beim Fernsehen ganz angenehm ist.

Als ein „Event“ hat die ARD „Charité“ verkauft, und die Zuschauer machen es tatsächlich zu einem: Der Aufwand ist groß, die Schauspieler sind groß, die Kulissen sind groß – und das Publikum vor den Fernsehgeräten ist nun auch groß. Aber ich sitze davor und möchte irgendwen schütteln, zur Not die Figuren, die ausnahmslos Sätze sagen, mit denen sie sich, ihr Handeln, ihre Absichten und vor allem: ihre Funktion in der Serie und im geschichtlichen und gesellschaftlichen Gesamtbild erklären. Nichts geschieht einfach so, nichts bleibt unausgesprochen, es gibt kein Geheimnis. Alles ist dem Ziel untergeordnet, dem Publikum zu erklären, wie das damals genau war, in Berlin, als die moderne Medizin ihren Anfang nahm, und die Männer lebten und forschten, nach denen heute Institute und Kliniken benannt sind.

Es ist Schulfernsehen als Event, und dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, insbesondere weil das deutsche Fernsehpublikum das ja zu schätzen weiß: Ein Programm, das schöne Kulissen, eindrucksvolle Bärte und lustige Schwesternhauben hat; in dem Pferdekutschen über Kopfsteinpflaster rollen, wie man das aus solchen Programmen kennt; in dem man staunen kann, wie die Leute damals über Telefone und Fotoapparate staunten, und in dem alle halbe Stunde jemand sagt, dass Frauen damals überall schon Ärzte werden konnten, nur im Deutschen Reich nicht.

Der überragende Erfolg von „Charité“ wird die deutschen Fernsehsender dazu animieren, in Zukunft mehr große, konventionelle, lehrreiche Serien zu drehen, und das ist natürlich auch richtig so.

Nur ich bin raus.

Billy on the Street

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Billy Eichner ist der nervigste Schwule im amerikanischen Fernsehen. Und die schwulste Nervensäge. Er geht in New York auf die Straße, stellt sich mit seinem Mikrofon nichtsahnenden Passanten in den Weg, überfällt sie mit irgendeiner Frage oder einem Spiel und ist dabei so unfassbar dreist, unfreundlich und ungeduldig, dass man weiß, dass er damit nicht durchkäme, wenn er nur halb so dreist, unfreundlich und ungeduldig wäre.

Neulich hatte er Jon Hamm im Schlepptau, den aus „Mad Men“ bekannten Schauspieler, und spielte ein Spiel, das er „Würden Sie einen Dreier mit mir und Jon Hamm machen?“ nannte und das daraus bestand, Menschen zu fragen, ob sie – „für einen Dollar!“ – einen Dreier mit ihm und Jon Hamm machen würden. Einer verduzten Frau versuchte er es dadurch schmackhaft zu machen, dass er sagte, wie progressiv das wäre: Sie als füllige schwarze Frau, er als schwuler Mann, Jon Hamm als Gewinner eines Screen Actors Guild Awards. „Aber er hat keinen Oscar“, erwiderte die – und man wollte sofort in eine Stadt ziehen, in der zufällig angesprochene Menschen auf der Straße spontan solche Pointen liefern.

Ein Mann willigte spontan in den vermeintlichen Dreier ein, musste sich dann aber in eine Diskussion verwickeln lassen, wer denn oben und unten liegen würde. Eine Frau wollte gerade noch ihren Mann fragen, disqualifizierte sich aber dadurch, dass er Sprinkler-Anlagen designt. Eine ältere Dame schob Billy Eichner rüde aus dem Weg, bis sie realisierte, dass es um Jon Hamm ging, und doch nochmal kurz zurückkam.

Es sind jeweils nur wenige, unfassbar hektische und überdrehte Sekunden, und wenn man Eichner nicht für seine Art hasst, muss man ihn lieben – in diesen Zeiten ganz besonders.

Mit einem anderen Passanten, der eigentlich nur auf die Frage „Who you gonna call?“ richtig mit „Ghostbusters“ geantwortet hatte, entwickelt sich ein Streit, weil der es wagt, „Pretty Woman“ als „furchtbaren Film“ zu bezeichnen. Nach einer hitzigen, fast körperlichen Auseinandersetzung über die vermeintliche Glorifizierung von Prostitution darin, räumt der Fußgänger ein, sich den Film vielleicht doch nochmal ansehen zu müssen.

Den Schauspieler Seth Rogen rekrutiert Billy Eichner als Kameramann für ein grausames Spiel, in dem er Passanten mit der Nachricht konfrontiert, dass Seth Rogen gerade gestorben sei. Nachdem die in die Kamera formuliert haben, wie traurig sie das finden beziehungsweise dass sie keine Ahnung haben, wer das überhaupt sein soll, zeigt Eichner, dass der Mann direkt neben ihnen steht.

Das ist viel zu schnell, um überhaupt als selbes Genre wie die deutsche Schlafshow „Verstehen Sie Spaß“ wahrgenommen zu werden, und es ist bei aller Schroffheit immer wieder herzerwärmend: Wenn Rogen sich schüchtern und ein bisschen peinlich berührt („er hat mich gezwungen, das zu machen“) bei den Passanten bedankt, die ihm gerade einen freundlichen verfrühten Nachruf geschenkt haben. Oder wenn die eine Hälfte eines schwulen Pärchens – ein Mann, der gerade gestanden hat, wie attraktiv er den „Bären“ Seth Rogen fand – ihm gegenübersteht und ungelenk distanziert die Hand gibt.

Eine Frau sagt, sie könnte mit dem Kiffer-Humor Rogens nichts anfangen, da fände sie Billy Eichner witziger, und als Eichner fragt, ob es daran liegt, dass sein Humor einfach klüger sei, widerspricht sie: „Naja, da bin ich jetzt nicht so sicher.“

youtube.com/billyonthestreettv/

Nicht egal

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Nichts löst derzeit so viel Hass im Netz aus wie Kampagnen gegen Hass im Netz.

Anfang der Woche ist eine neue gestartet. Sie nennt sich „#nichtegal“, was dafür steht, dass uns Hass nicht egal sein soll. Bekannte Youtuber haben sich vor die Kamera gesetzt – oder besser: sind vor den Kameras sitzen geblieben -, um ein Zeichen dafür zu setzen, dass man ein Zeichen dagegen setzen soll, wenn Leute im Netz Hass verbreiten. Achselzuckendes Hinnehmen sei keine Lösung. Jeder Einzelne könne, müsse, aktiv werden gegen Beleidigungen und Hetze.

Das Video ist von größter Substanzlosigkeit, selbst für ein eineinhalb Minuten langes Filmchen, das nicht viel mehr will, als Aufmerksamkeit zu wecken. Am besten zu gebrauchen ist es vielleicht noch als Negativbeispiel für sinnlosen Hashtag-Aktionismus. Wogegen genau es sich richtet, bleibt genauso unklar wie die Frage, was denn helfen soll. Die 21-jährige Kölner BWL-Studentin Diana zur Löwen, die auf ihrem Youtube-Kanal sonst vor allem für Kosmetikprodukte wirbt, sagte bei der Vorstellung des Projektes, sie wolle „Negativität mit einem Lächeln begegnen und den Leuten zeigen, dass mir das gar nicht so nahegeht“, was ein bisschen klingt, als wären ihr der Hashtag „#mirdochegal“ und ein Projekt, in dem es darum geht, blöde Hasskommentare einfach zu ignorieren, genauso recht gewesen.

Andere Unterstützer scheinen in dem Hashtag einfach eine praktische Abkürzung zu sehen, wenn man auf Hasskommentare eigentlich nicht antworten, aber auch nicht nicht antworten will. Stattdessen könne man „#nichtegal“ hinschreiben.

Dass so vage ist, wie und wogegen diese Aktion kämpfen will, ist vor allem deshalb ein Problem, weil es eine erhebliche Zahl von Kritikern gibt, die genau zu wissen glauben, was tatsächlich dahintersteckt: eine beinahe allmächtige Koalition aus einem globalen Internetkonzern (Google), der Bundesregierung und linken, stasiähnlichen Organisationen, die gemeinsam eine Gutmenschen-Diktatur errichten und jeden Widerspruch wegzensieren wollen.

Der Verdacht, dass es in Wahrheit nur darum geht, unliebsame Meinungen zu bekämpfen, ist allgegenwärtig. Und selbst unter denjenigen, die meinen, dass die Kampagne auf üble Beschimpfungen zielt, gibt es Widerstand: Die Freiheit, Leute zu beleidigen, gilt vielen, die sich in den Kommentaren äußern, als ein Menschen- und Internetrecht. (In welcher Form diese Leute für dieses Recht kämpfen, können Sie sich leicht ausmalen.)

Es herrscht ein Klima, in dem viele der Kampagne nicht einmal abnehmen, dass sie „gut gemeint“ ist, und die Auswahl der Protagonisten hilft nicht unbedingt, ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen. Dass eine Dagi Bee wegen ihrer Ultrakommerzialität umstritten ist, mag man vielleicht noch als Preis dafür hinnehmen, auch deren zahlreiche Fans zu erreichen. Christian Brandes („Schlecky Silberstein“) hat in einem Video aber auch Beispiele gesammelt, wie genau die Testimonials aus dem Video früher hasserfüllt auf Kritiker reagiert haben. Sein alternativer Hashtag: „#NichtEuerErnst“.

Vielleicht aber bewirken solche Anti-Hass-Aktionen doch etwas Positives: Mit etwas Glück ziehen sie so viel Hass auf sich, dass für diejenigen, die sonst regelmäßig Opfer davon werden, kaum noch etwas übrigbleibt.

nichtegal.withyoutube.com

Simultaneity Porn

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

„Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen.“ Das war immer schon der Satz, der mehr Menschen als jeder andere dazu brachte, stehen zu bleiben und zu gucken, insbesondere, wenn schon andere Menschen da standen und guckten.

Im Moment stehen sehr viele Leute auf der Welt da und gucken, was es in dem amerikanischen Städtchen Jackson Hole, Wyoming, an der Kreuzung zwischen Broadway und Cache nicht zu sehen gibt. Eine Webcam auf Youtube zeigt, was dort passiert, nämlich: nichts besonderes. Es ist eine Straßenkreuzung. Autos halten an und fahren weiter. Andere Autos halten an und fahren weiter. Fußgänger überqueren die Straße. Im Hintergrund sieht man Berge. Vor einem Park steht ein Torbogen. Links ist ein Ladengeschäft.

Das Besondere, es passiert nicht in Jackson Hole, Wyoming, sondern auf der anderen Seite der Webcam: Tausende Menschen aus aller Welt schauen sich das an und kommentieren das Geschehen. Die Nachrichten im Youtube-Chat neben dem Video rauschen in irrwitziger Geschwindigkeit hindurch.

Sie haben ein Spiel daraus gemacht, zu kommentieren – oder auch nur zu erwähnen – was passiert, und auf irgendeine wundersame Weise ist ein roter Truck so etwas wie der Hauptgewinn in diesem Spiel. Wenn er durchs Bild fährt, rasten alle aus (also, noch mehr als sonst). Und weil das Besondere, das auf dieser Seite der Webcam passiert, natürlich auch Einfluss auf die andere Seite der Webcam hat, sieht man nun immer wieder Menschen oder Autos auf der Straßenkreuzung mit Schildern, auf denen Sachen stehen wie: „Red Truck Is Life.“

Es ist alles sehr sinnlos. Es ist von schönster, reinster, atemberaubender, faszinierender Sinnlosigkeit. Niemand weiß so richtig, wie alles begann. Es gibt keine richtige Geschichte, keinen Mythos. Die Webcam von der Straßenkreuzung Ecke Broadway Broadway und Cache in Jackson Hole, Wyoming, hat kein Geheimnis, außer das, kein Geheimnis zu haben. Man könnte sich jede andere Straßenkreuzungswebcam im Internet angucken, aber warum sollte man das tun, wenn alle anderen sich diese angucken?

Die Internetseite Fusion hat einen schönen Begriff, den Reiz dieses Gemeinschaftserlebnisses zu beschreiben: simultaneity porn. Das meint mutmaßlich, wie sich viele Fremde daran aufgeilen, dass sie gleichzeitig das Gleiche tun. Dass es darüber diese Gemeinsamkeit hinaus keine Bedeutung des Tuns gibt (noch nicht einmal einen Bezug zu dem Ort, der das Ziel ihrer Aufmerksamkeit ist), macht seinen Reiz noch größer.

„Es lockt mit dem Unbekannten“, schreibt „Fusion“. „Mit dem Jackson-Hole-Stadtzentrum-Livestream weiß man nie, welche Farbe der nächste Truck hat, der erscheint.“

Morgens um sechs Uhr Ortszeit sind alle ganz aufgeregt, weil dann die Ampeln wieder auf Tagbetrieb umgeschaltet werden. Wenn ein Traktor duchs Bild fährt, rufen alle: „Tractor!“. Wenn sonst nichts passiert, ruft garantiert einer: „Lobpreiset den Torbogen!“ oder halt: „Der Torbogen ist das Böse!“

Neulich nachts, die Ampeln blinkten rot, erschien der Wagen des Sheriffs. Er fuhr über die Kreuzung und aus dem Bild, setzte wieder zurück, stieg aus und machte den Dab, eine Art Verbeugung mit Armschwingen, eine Tanz- und Jubel-Bewegung, die auch so eine rätselhafte Hype-Sache ist, die sich irgendwann verselbstständigt hat.

Der Sheriff machte den Dab, stieg wieder ein und fuhr weg. Das Internet war glücklich.

Die Verlobung von Dagi Bee

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Nun ist es passiert. Es hatte sich schon länger abgezeichnet. Es mangelte auch nicht an Indizien und verräterischen Zeichen. Und spätestens nach dem gemeinsamen Kurzurlaub in Paris, der sogenannten Stadt der Liebe, war das Getrapse der Nachtigall ohrenbetäubend geworden. Am vergangenen Donnerstag machte Dagi Bee es endlich offiziell, in der einzigen angemessenen Form: Sie setzte sich vor ihre Videokamera und erzählte ihren vielen hunderttausend Fans, dass sie sich mit ihrem Eugen verlobt hat. In den vergangenen Wochen waren die Fragen immer lauter geworden, in der Presse, auf Instagram, auf Twitter, in den Youtube-Kommentaren: Was ist das für ein Ring da an deiner Hand, Dagi? Hast du dich verlobt? Nee, ist nur Schmuck, oder? Oder doch verlobt? Nee, nur Schmuck, oder?

Dann hatte sie auch noch getwittert: „Ich bin das glücklichste Mädchen auf dieser Welt“, und Eugen hatte getwittert: „Ich bin der glücklichste Mann auf dieser Welt“, einige Leute dachten aber, sie wollten ihre Fans nur wieder foppen, was ja auch nicht das erste Mal wäre – so was gehört in Youtuber-Kreisen zum Handwerk der Aufmerksamkeitssteigerung. (Ein Video, das die beiden vor zwei Wochen mit der Zeile „Wir werden Eltern!“ zeigte, entpuppte sich als Film, in dem sie mit der Welt teilten, dass sie nun einen Hund haben, einen Zwergspitz, der natürlich auch schon einen eigenen Instagram-Account hat.)

Eine Internetseite machte prompt eine Umfrage unter ihren Lesern, ob die „Anspielungen von Dagi Bee und Eugen nerven“, und von den, jawohl: mehr als 13 000 Teilnehmern sagte die Mehrheit: „Ja, total. Das glaubt doch niemand mehr!“

Tjaha. Stimmt aber. Dagi Bee ist, was man den meisten Unter-25-Jährigen nicht erklären müsste, eine der bekanntesten und erfolgreichsten Webvideoproduzentinnen Deutschlands. Ihr Youtube-Kanal hat mehr als 2,7 Millionen Abonnenten. Sie plaudert darin über Kosmetik, Mode, Shopping und ihr Leben. Ihre Verlobung ist ein faszinierendes und leicht bestürzendes Beispiel dafür, wie ein größeres persönliches Ereignis wie eine Verlobung in der Welt dieser neuen Stars inszeniert und begleitet wird.

Dagi Bee ist prominent genug, um Thema für die Boulevard- und People-Berichterstattung zu sein, mit deren üblichen Spekulationen über das Privatleben. Gleichzeitig gibt sie selbst mit Videos, Fotos und Kommentaren auf den unterschiedlichsten Plattformen immer wieder Anlass und Nahrung für solche Berichte. Und, vor allem: Diese Kommunikation von ihr ist nicht, wie bei traditionellen Prominenten, ein Begleitprogramm zur eigentlichen Arbeit in der Öffentlichkeit. Diese Kommunikation ist das, wofür sie berühmt ist; worauf ihre Prominenz beruht und woraus sie besteht.

Entsprechend wichtig sind diese privaten Ereignisse in der Real-Life-Soap, die sich in einem nicht enden wollenden Strom aus Postings auf den unterschiedlichen Kanälen entfaltet, entsprechend genau werden sie verfolgt – und entsprechend niedlich ist es, wenn sie erzählt, dass sie so ein Verlobungs-Bekanntgabe-Video ursprünglich gar nicht machen wollte, weil das „eigentlich ’ne ziemlich private Sache ist“. Aber „weil ich mein ganzes Leben mit euch teile, war es wirklich an der Zeit, es euch zu sagen“. Sie sagt dann noch, dass sie ihren Freund, „so gut es geht, aus der Öffentlichkeit heraushält“, aber das bedeutet bloß, dass er nicht in jedem ihrer Videos vorkommt, sondern nur in manchen.

Körperteile-Challenge

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Ich habe das vielleicht traurigste Youtube-Video der Welt gesehen. Es trägt den Titel „Welcher Youtuberin gehören diese Titten“, und es ist nicht das, was Sie jetzt glauben.

Die deutsche Youtube-Welt wird seit einigen Monaten von einem Genre heimgesucht, das man „Körperteile-Challenge“ nennen könnte. Zwei Jungs sitzen vor deKr Kamera, zeigen einander Fotos von Brüsten oder Pos und raten, wem sie gehören.

Das ist einfältig, aber nicht sehr dramatisch: Die Fotos, die als Material dienen, sind aus dem unerschöpflichen Fundus öffentlicher Selbstdarstellungsdokumente auf Instragram und ähnlichen Kanälen. Alles atmet den Geist der Ferienlager-Abendgestaltung pubertierender Schüler: sehr peinlich anzusehen, wenn man nicht selbst Teil der Clique ist.

Schöner war’s, als diese Vergnügungen noch nicht vor der digitalen Weltöffentlichkeit stattfanden, und schöner wär’s, wenn die jungen Leute die Möglichkeiten von Webvideos kreativer nutzen würden – aber das sind beides natürlich sinnlos-spießige Erwachsenen-Gedanken.

Der Erfolg dieser Anatomie-Heim-Quiz-Shows ist allerdings bemerkenswert: Einige von ihnen sind über eine Million Mal angesehen worden. Das ruft immer mehr Nachahmer auf den Plan. Die Youtube-Trends sind oft voll mit Varianten von „Welchem Youtuber gehört der Arsch?!“ und „Youtuber Brüste erraten extrem!“ – oft beworben mit Standbildern, die sehr sexuelle Inhalte versprechen.

Ein Tiefpunkt schien in der vergangenen Woche erreicht, als MarcelScorpion, ein bekannter hauptberuflicher Youtuber, mit seinem Kumpel Haptic ein Video veröffentlichte: „Welcher Youtuberin gehört diese F**ze?!“ Ihre Variante bestand darin, mit Fotoausschnitten zu spielen, die den Unterleib von Personen zeigten, bekleidet natürlich. Dazu sagten die beiden immer und immer wieder das F-Wort, jedes Mal überpiept. Es wirkte fast wie eine Parodie auf die Plumpheit all dieser Videos.

Stellt sich raus: Es war wirklich eine Parodie. Marcel hatte sich sogar, als Signal, eine Perücke aufgesetzt (was aber bloß zur Nachfrage führte, ob er nicht mal wieder zum Friseur wolle). Verstanden wurde das Video anscheinend von den wenigsten, geklickt aber massenhaft.

Und so haben Marcel und Haptic in dieser Woche ein Erklärvideo nachgeschoben, natürlich unter dem Titel „Welcher Youtuberin gehören diese Titten“, in dem sie sich beklagen: Überall die Bekloppten, die sich solche Videos angucken, und überall die Bekloppten, die sich solche Videos angucken, nur um sich über sie zu beklagen. Darüber, dass man ihnen zutraut, so ein Video im Ernst zu machen, und darüber, dass man es ihnen nicht zugesteht, auch mal so ein Video zu machen, im Ernst, aus Spaß, als Protest – und weil es eben super geklickt wird.

Marcel beklagt sich, dass solche Billig-Videos viel besser geklickt werden als gute, aufwendige Sachen. Er verheddert sich hoffnungslos in seinen Erklärungen, dass doch klar sei, dass er in seinen Videos immer nur eine Parodie darstelle, darin aber ganz oft auch „real“ sei. Und sagt Sätze wie: „Man muss gucken als hauptberuflicher Youtuber, wo man bleibt. Und Erfolg bekommt man durch so was. Man muss sich anpassen. Ich passe mich auf einem solchen Level an, dass ich immer noch Marcel bin, aber trotzdem immer noch erfolgreicher werden kann.“ Und das ist noch trauriger als all die traurigen Titten-Rate-Videos.